Trans Asia Express

Um zehn Uhr morgens besteigen wir den Trans Asia Express von Ankara nach Tabriz. Eigentlich fährt dieser unter Bähnlern bekannte Zug von Istanbul nach Teheran, aber die Strecke Istanbul – Ankara ist wegen Bauarbeiten geschlossen und wir wollen bereits in Tabriz im Nordwesten des Iran aussteigen. Der Beiname “Express” ist übrigens eine leichte Übertreibung, denn der Zug fährt die gut 1500 km lange Strecke gemächlich in zwei Tagen durch. Wir gönnen uns ein bisschen Luxus und kaufen vier Tickets damit wir das ganze Schlafwagenabteil für uns haben (ein Ticket kostet 34 Euro).

Schon eine halbe Stunde nach der Abfahrt in Ankara fahren wir durch die weiten Steppen des anatolischen Hinterlandes. Der azurblaue Himmel und die caramelfarbenen weichen Hügel werden ab und zu durch ein paar grüne Weiden und Bäume kontrastiert. Wir geniessen die Fahrt in unserem leicht dekadenten “Privatzimmer” und haben wieder einmal Zeit für Musse und Lesen. Gegen Abend gönnen wir uns mit dem von Albanien mitgebrachten Baumnuss Raki ein kleines Aperitiv. Die beiden Schweizer, die zufälligerweise neben uns im Abteil einquartiert sind, stossen mit uns an. Der Zug ist vor allem mit Iranern und einer Handvoll Touristen besetzt. Bald sitzen wir mit einer Schar türkischer, englischer und neuseeländischer Reisenden im Speisewagen und trinken Bier im Bewusstsein, dass es bald für einige Zeit keinen Tropfen Alkohol geben wird.

Am nächsten Morgen fährt der Zug immer noch durch Anatolien, die Landschaft ist etwas bergiger, aber geprägt durch weite Steppe. Ein gemütlicher Tag auf Achse. Bei Sonnenuntergang erreichen wir Tatvan am Ufer des Van-Sees im Osten der Türkei. Gemäss Fahrplan hätten wir den See am frühen Nachmittag erreichen müssen. Da keine Gleise um den See herum führen, müssen alle Passagiere auf die Fähre umsteigen. Es geht fünf Stunden über den See und wir haben ein indonesisches Déjà-vu, obwohl die türkische Fähre im Vergleich zur indonesischen geradezu über den See rast. Auf der Fähre lernen wir weitere Individuen der kleinen Schar Reisender kennen (es sind wohl insgesamt weniger als hundert Passagiere). Ein älterer iranischer Herr zeigt uns Fotos von sich mit berühmten iranischen Schauspielern, so sagt man uns zumindest. Er sei früher Nebendarsteller in vielen Filmen gewesen, übersetzt ein Passagier. Ein anderer Mitreisender will uns Teheran und dann den ganzen Süden des Iran zeigen, gratis mit dem Auto seines Freundes. Sein Übereifer und Anschlussbedürfnis wirken jedoch eher unheimlich auf uns.

Nach Mitternacht erreichen wir Van am anderen Seeufer, immer noch in der Türkei gelegen. Nun geht es darum, die Passagiere in den wartenden iranischen Zug einzuquartieren. Die Reservationen sind hier nichts wert. Man muss sich in Vierergruppen zusammenschliessen, in die Reihe stellen und für ein Abteil “bewerben”. Diese Anordnung sorgt für ziemliche Irritation und die meisten Leute tun sich schwer damit mitten in der Nacht Abteilkollegen zu suchen. Da Anne und ich mit unseren vier Tickets technisch eine Vierergruppe sind, dränge ich mich durch die verwirrt wartenden Passagiere und ergattere schnell ein Abteil. Alles funktioniert tiptop und wir haben wieder unser Privatabteil. Der Kondukteur ist zwar ein bisschen verwundert, aber dann zufrieden, als er unsere vier Tickets sieht.

Um halb zwei Uhr nachts fährt der iranische Zug mit vier Stunden Verspätung los. Nun wird die Reise leider etwas mühsamer. Im Halbstundentakt werden wir geweckt und müssen Billete, Pässe und Visa zeigen, mehrmals. Um vier Uhr morgens erreichen wir die Grenze. Alle Passagiere müssen aussteigen und im türkischen Zollhaus anstehen. Wir realisieren schnell, wie der Hase läuft, stehen auf und ergattern uns Spitzenplätze in der Warteschlange, sauber getrennt nach Geschlechtern. Die Zollbüros hinter der Trennscheibe sind aber noch dunkel. Weit und breit keine Zollbeamte in Sicht. Wir halten uns an unser (spätestens seit Indonesien) aktuelles Reisemotto: “Ist so, weil ist so.” Um 4:30 geht bei meinem Warteschlangennachbar der Natelwecker. Kurz darauf ist die Hälfte der Männer verschwunden. Gebetszeit. Nach zehn Minuten sind alle wieder brav am selben Platz in der Reihe. Wir erfahren, dass man die Zollbeamte mittlerweile geweckt habe und sie bald auftauchen werden, was dann auch tatsächlich geschieht. Nach fünf Uhr ist mein Pass abgestempelt und ich freue mich auf ein bisschen Schlaf im warmen Zugsabteil. Zu früh gefreut. Der Zug ist abgeschlossen und wird erst geöffnet, wenn alle Leute abgefertigt sind. Obwohl es hier nur um die Ausreise geht, warten wir noch ein halbe Stunde. Es ist bitter kalt, kurz vor Sonnenaufgang.

Eine kleine Tüte Schlaf später werden wir wieder geweckt. Es ist kurz nach sieben Uhr früh und wir müssen die Einreise in den Iran erledigen. Anne hat sich mittlerweile ganz im Sinne des iranischen Gesetzes ein Kopftuch umgebunden und einen langen Mantel angezogen (Hijab). Freundlicherweise sind die Zöllner diesmal in den Zug eingestiegen und haben sich im Speisewagen ein kleines Büro eingerichtet. Diesmal geht es sehr schnell und überraschenderweise einfach. Man wünscht uns “Good luck” und haut uns den Einreisestempel neben das Visum. Wir essen Frühstück im Abteil und versuchen nochmal zu schlafen. Die Mittagessenbestellung lehnen wir dann freundlich ab, weil wir ja bereits in Tabriz aussteigen wollen, das wir nach Fahrplan um 06:35 erreichen sollten… Um 8:00 werden wir wieder geweckt für den Gepäckzoll. Alle Passagiere sammeln sich in einer kleinen Wartehalle und, ja was wohl, warten. Die Zeit vergeht ohne dass etwas passiert. Einige Iraner beginnen zu fluchen. Eine gute Stunde später bildet sich dann eine Schlange durch den Frauengebetsraum des Gebäudes. Die Ausländer werden mehr oder weniger durchgewunken, die Iraner minutiös kontrolliert.

Nach zehn Uhr geht die Fahrt weiter. Wieder zeigt sich die Landschaft von ihrer schönen Seite, weite Steppe, steile Canyons und eine grosse Salzwüste. Wir verschlafen aber einen Grossteil. Nach 14:00 Uhr fahren wir endlich in Tabriz ein.

Skopje baut sich ein Denkmal

Skopje ist leider schon die letze Destination unserer Tour durch den Balkan. Der spontane Abstecher nach Südosteuropa bedeutete einen ziemlichen Tapetenwechsel nach fünf Monaten in Südostasien, hat sich aber enorm gelohnt. Vier Wochen Kultur und Nachtleben, gutes Essen, Wein und Rakija haben uns gestärkt für neue Abenteuer.

Als wir in der Stadt einlaufen, fragen wir uns, ob wir denn am richtigen Ort gelandet sind: Plötzlich stehen wir vor einer gigantischen Ritterstatue von Alexander dem Grossen. Die ganze Innenstadt ist voll von Statuen und (teilweise halbfertigen) neoklassizistischen Monumentalbauten, so dass gar Letzterer neidisch werden könnte. Baut hier jemand ein neues Rom? Gemäss Reiseführer sollte dieser Platz praktisch leer sein. Nach ein paar Worten mit Einheimischen löst sich das Rätsel: Die neue Regierung hat vor circa drei Jahren beschlossen, die Innenstadt mit “historischen” Bauten aufzuwerten – und sich damit wohl auch selbst ein Denkmal zu setzen. Das Projekt “Skopje 2014” (geplantes Fertigstellungsdatum) wird die Stadt in eine Art europäisches Las Vegas verwandeln. Viele Einwohner sind aber nicht gerade begeistert, vor allem auch weil das knappe Geld auch für prioritärere Aufgaben hätte eingesetzt werden können. Wir sind uns lange nicht sicher, was wir von diesem Anflug von Gigantismus halten sollen. Immerhin standen in der Innenstadt vor dem grossen Erdbeben von 1963 bereits einige wenige grosse Bauten, womit das Bauvorhaben immerhin zu einem kleinen Teil als Wiederherstellungsmassnahme betrachtet werden kann. Was künftige Generationen davon denken werden, wird sich zeigen. Jedenfalls finden wir den pseudo historischen Kitsch gar nicht einmal so unästhetisch (abgesehen von der übertriebenen Statuenzucht); er kann es mit den vielen Bausünden, die wir in den letzten Wochen gesehen haben, locker aufnehmen.

Die Stadt Skopje ist in der glücklichen Lage wenige Kilometer von erstaunlichen Naturschönheiten entfernt zu liegen. In der wenigen uns noch verbleibenden Zeit machen wir einen Abstecher zum Matka Canyon mit der spektakulären Vrelo Höhle. Die zum grössten Teil mit Wasser geflutete Höhle ist wohl eine der tiefsten der Welt. Bis jetzt ist ein waghalsiger Taucher in eine Tiefe von 192 Meter vorgedrungen und hat noch keinen Grund erreicht. Solche Räubergeschichten kitzeln ein bisschen den Abenteuergeist, sind jedoch ganz knapp über unserer bescheidenen Taucherfahrung… Wir erfreuen uns aber auch ohne Tauchermaske an den oberirdischen Teilen der Höhle und dem schönen Canyon.

An unserem letzten Abend im Balkan ist in Skopje “White Night”, praktisch alle Lokale sind die ganze Nacht geöffnet, in jeder zweiten Kneipe und auf dem Hauptplatz spielen Live Bands und die halbe Stadt ist auf den Beinen. Ein guter Ausklang.

Prinzipientreue und krumme Nägel

Das Geständnis vorneweg: Wir haben gegen zwei wichtige Prinzipien unseres Unternehmens Weltreise verstossen: Erstens haben wir ursprünglich geplant in diesem Jahr maximal zehn Länder zu bereisen. Doch nur schon in den letzten knapp vier Wochen haben wir mehr als zehn Landesgrenzen überschritten (mit ebenso vielen Währungskonvertierungen). Zweitens wollten wir dem Sommer nachreisen. Die inoffizielle Minimaltemperatur von 10°C wurde in den letzten Tagen mehrmals unterschritten. Doch alles der Reihe nach.

Nach Albanien wollen wir auch noch den jüngeren Bruderstaat besuchen, aus welchem bekanntlich eine nicht kleine in der Schweiz lebende Minderheit stammt. Auf dem milliardenteuren, neuen Albanien-Kosovo Highway brausen wir von Tirana Richtung Pristina. Es ist die wohl beste Strasse unserer ganzen Reise. Vorbei an den letzten Bunkern in Nordalbanien, wo die Blutrache auch heute noch ein gelebter Aspekt des Kanun ist, erreichen wir die Grenze zum Kosovo. Der Grenzübergang ist professionell organisiert, der kosovarische Einreisestempel landet bei uns beiden auf der zweitletzten Seite im Pass. Man erzählt, dass serbische Zollbeamte den Stempel ihrer abtrünnigen Provinz zuweilen “zerstören” (was immer das heisst). Daher vermuten wir bei dieser einheitlichen und ungewöhnlichen Stempelplatzierung eine leicht dilettantische Kaschierungsmassnahme. Wer weiss.

Als wir in Pristina aussteigen, schlagen uns frostige 5°C entgegen. Die Nacht wird den Gefrierpunkt touchieren. Der kleine Elektroofen kann unser Hotelzimmer nicht wirklich auf “prinzipienkonforme” Temperaturen bringen. Da wir mit unserer Tropenausrüstung leicht an den Anschlag kommen, kaufen wir uns am nächsten Morgen einen warmen Pulli bzw. eine Jacke (auch unsere nächsten Destinationen Skopje und Ankara melden nächtliche Temperaturen nahe dem Nullpunkt). Warm eingepackt erkunden wir Pristina. In der Stadt ist vor ein paar Jahren noch geschossen worden. Eine leichte Nachkriegsatmosphäre ist auch heute noch spürbar: Unser Taxifahrer geht an Krücken wegen einer Bombensplitterverletzung am Bein. Die (deutschen, nicht schweizerischen) KFOR-Truppen sind sehr präsent, in den Strassen hat es noch mehr bewaffnetes Sicherheitspersonal als in Tirana und viele Läden (und unser Hotel!) sind nicht beheizt. Zudem befinden sich eine Mehrzahl der Gebäude in einem Zustand zwischen “im Bau” und “baufällig”, wobei nicht immer klar ist, welcher Zustand dominiert. Insbesondere Moscheen und Kirchen in der Innenstadt sind deshalb nicht begehbar; wirken leider eher baufällig als im Bau, jedenfalls sind kaum Renovierungsarbeiten ersichtlich. Man kann die klassischen Sehenswürdigkeiten an einer Hand abzählen. Unser Programm würzen wir mit einem spontanen Besuch der kosovarischen Lebensmittel- und Landwirtschaftsmesse, dem kuriosen Universitätsbibliotheksgebäude und einem Laden für Musikkassetten*.

Ansonsten ist das Strassenbild geprägt von der mehrheitlich arbeitslosen männlichen Bevölkerung. Auf der zentralen Flaniermeile drängen sich Massen um “Chilbi-Attraktionen” wie etwa den Nageleinschlag-Wettbewerb bei einem Werbestand eines deutschen Entwicklungsprojekts für Solarzellen. Pristina erinnert uns in einer Hinsicht stark an das laotische Vientiane: Es gibt eine sehr sichtbare, aber doch dünne Elite von lokalen Staatsfunktionären und internationalen Sicherheitsbeamten, Beobachtern und natürlich Entwicklungshelfern. Diese hat einen spürbaren Einfluss auf das Preislevel: Pristina ist aufgrund der vielen Spesenreisenden relativ teuer im Vergleich zur übrigen Region (wir nennen das den Washington- oder Brüssel-Effekt).

Obwohl Pristina interessante Einblicke in die Balkan-Region gewährt, fliehen wir aus der bissigen Kälte ins etwas mildere Skopje in Mazedonien. Die gängigen Klischees dieser Region wurden im Kosovo übrigens nicht unbedingt bestätigt und erst recht nicht in den anderen ex-jugoslawischen Ländern.

* An alle Leser mit Jahrgang 1990 und jünger: Eine Kassette (auch MC) ist ein anachronistisches Datenmedium auf Magnetband, das in den 1980er Jahren und frühen 1990er Jahren hauptsächlich zur Musikspeicherung eingesetzt wurde. Die Kassette zeichnete sich vor allem durch schlechterwerdende Soundqualität und Magnetbandsalat nach dem spulen aus.

Belgrad rockt

Nach fast fünf Monaten in Südostasien kehren wir der Region nicht ohne Wehmut den Rücken und kehren nach Europa zurück. Warum wir uns spontan entschieden haben, die Balkanstaaten zu besuchen, wissen wir selbst nicht mehr genau. Brauchen wir wieder einmal europäische Kultur (inklusive alkoholische Getränke, Schweinefleisch, Kunst und Architektur) oder wollen wir herausfinden, wo eine der grössten und vorurteilsbehaftetsten Minderheiten in der Schweiz eigentlich herkommt? Jedenfalls könnte der Kontrast zwischen einem abgelegenen indonesischen Strand und der Hauptstadt von Ex-Jugoslawien fast nicht grösser sein.

In Belgrad werden wir von Nemanja, einem Gymer-Kollegen von mir empfangen. Er ist vor einigen Jahren in seine Heimat zurückgekehrt und wohnt nun mit seiner Familie in der Stadt. Er führt uns sogleich in ein traditionelles Kafana aus, wo wir von der reichhaltigen kulinarischen Vielfalt Serbiens fast erschlagen werden. Ohne Kaymak (eine Art leicht fermentierter Rahmkäse), Rakija (dem lokalen Obstbrand in vielen Varianten) und viel Fleisch kommt jedenfalls kein anständiges traditionelles Mahl aus. Nemanja bietet sich auch gleich als wandelnder Reiseführer für die ganze Region an und lässt uns in die legendäre serbische Gastfreundschaft eintauchen. Wir mieten uns in einem kleinen Apartment ein und beschliessen ein paar Tage in der Stadt zu bleiben, da wir wieder aufnahmefähig sind für klassische Sehenswürdigkeiten wie Kirchen, Festungen, Museen und ein bisschen Ostalgie.

Per Velo lässt sich die Stadt ideal erkunden; der vielleicht nicht unbedingt vorbildliche serbische Fahrstil kommt uns nach Indonesien ziemlich zahm vor. Unsere leicht alternative Velotourführerin war früher auch Guide für Nightlife Touren (die sie jedoch mangels Trinkfestigkeit aufgeben musste) und somit stauben wir noch ein paar gute Tipps ab. Bald finden wir auch heraus, wie das Bussystem in Belgrad (nicht) funktioniert. Am meisten geniessen wir in diesen Tagen die lebhafte und kreative Kunst- und Kulturszene, die vielen kleinen Cafés und Restaurants und das attraktive Nachtleben mit mehr Livebands in einem Belgrader Strassenblock als in ganz Zürich. Belgrad rockt wirklich.

Komfort in Komodo

Nach fast drei Wochen am Strand von Bira können wir uns doch noch über das nächste Ziel einigen: Nach intensiven Diskussionen mit anderen Reisenden verschieben wir die weitere Erkundung von Sulawesi in die Zukunft und brechen Richtung Flores auf. Da die Fähre einmal pro Woche direkt von Bira ausläuft, ersparen wir uns so weitere Flüge und mühsame Überlandfahrten. Die fast zweitägige Überfahrt auf der öffentlichen Fähre von Sulawesi nach Flores spornt zudem unseren etwas bequem gewordenen Abenteuergeist an. Als wir vor Mitternacht das grosse Boot besteigen, sind wir zuerst etwas geschockt: Es hat ein paar Plastikstühle und rundherum liegen die Leute am Boden. Elvis, bei dem wir in Bira im Turm schlafen durften, gab uns den Tipp, die Kabine eines Schiffsoffiziers zu ergattern (gegen ein anständiges Trinkgeld). Einige freundliche Mitreisende machen uns jedoch auf die “Exekutif”-Klasse aufmerksam, wo man die Rücklehnen herunterlassen kann. Für knapp zwei Franken Aufpreis ergattern wir uns dort die letzten beiden Sitze und bald ist auch in dieser Klasse der Fussboden voll besetzt. Auf unseren Stühlen überleben wir die wellige Fahrt dann aber bequemer als befürchtet. Um vier Uhr morgens laufen wir in Labuan Bajo vor den Toren des berühmten Komodo Nationalparks ein und schlagen hier unsere Zelte auf.

Der Komodo Nationalpark bietet neben den Komodo Waranen eine vielfältige Unterwasserwelt; viele sprechen von den besten Tauchgründen ganz Indonesiens. Kurzentschlossen steigen wir auf das nächste Tauchboot und erkunden den Park zwei Tage lang unter der Wasseroberfläche auf einem sogenannten “Liveaboard”. Die Tauchgänge bieten viel Fisch, weite und unverbombte Korallengärten (Dynamitfischen ist hierzulande ein riesiges Problem) und eine imposante Insellandschaft. Allerdings muss man anmerken, dass sich das Tauchen in Bira, wenn auch teilweise herausfordernd, gegenüber Komodo überhaupt nicht verstecken muss. Meine Seekrankheitsaffinität hat sich bei den beiden längeren Bootsfahrten übrigens nur einmal kurz bemerkbar gemacht. Ich hatte aber glücklicherweise nur den Morgenkaffee im Magen.

Neben dem Tauchen freuen wir uns in Labuan Bajo auch wieder einmal über ein bisschen touristische Infrastruktur. In ein paar Tagen wird hier anlässlich des bevorstehenden Präsidentenbesuchs die neue Landebahn auf dem kleinen Flugplatz eröffnet. So ein Besuch macht aus den örtlichen Bauarbeitern plötzlich fleissige Bienlein: So wird Tag und Nacht an der Hafenpromenade gearbeitet nachdem zwei Jahre praktisch nichts geschehen ist. Und in der beschaulichen kleinen Bucht tummeln sich mittlerweile sieben Kriegsschiffe. Mit der neuen Landebahn wird der Ort nun definitiv auf dem indonesischen “Banana Pancake Trail” Java-Bali-Lombok landen. Aber alles hat auch seine guten Seiten: Labuan Bajo verfügt zwar noch über ein bisschen gemütliche Hafen- und Fischerdorf-Atmosphäre, verwöhnt uns daneben aber mit Annehmlichkeiten wie Internet, WC-Spülung, warmer Dusche und gutem (!) italienischen und griechischen Essen. Und wir finden sogar ein Weingeschäft. Paradoxerweise holt sich Anne hier noch eine Lebensmittelvergiftung, nachdem wir vorher wochenlang unter sehr einfachen Verhältnissen gelebt haben.

Jedenfalls geniessen wir in Labuan Bajo auf Flores unsere letzten Tage in Südostasien bevor wir mit einem handgeschriebenen Flugticket via Kuala Lumpur Richtung Belgrad aufbrechen wollen. Von dort aus startet unsere Balkan-Tour.