Eine andere Seite Afrikas

Heute ist der 25. März 2006, 6:00 Mittags. In Äthiopien. Das einzige Land in Afrika, das nie kolonialisiert wurde, verfügt nicht nur über eine eigene Zeitrechnung, sondern ist auch kulturell, kulinarisch und religiös einzigartig. Auch wenn das Land heute noch zu den ärmsten der Welt zählt, sind die Bilder von hungernden Kindern und dürren Böden während der schlimmen Hungersnot im Bürgerkrieg der 80er Jahre lange vorbei. Unsere letzte Station in Afrika überrascht mit weiten grünen Feldern, fruchtbaren Landschaften und gemässigtem Klima. Ein Grossteil des Landes befindet sich über 2000 Meter über dem Meeresspiegel, womit wir die brütenden Hitze Dschibutis hinter uns lassen können.

Als wir in Addis Abeba landen, fühlen wir uns schon ein bisschen in einer anderen Welt. Die Hauptstadt gleicht einer riesigen Baustelle und bietet ein trostloses Bild. Wir haben noch nie so viele Bettler und insbesondere bettelnde Kinder in den Strassen gesehen, die auch mal versuchen mir die Hosensäcke zu leeren (wie schon in Skopje erfolglos). Wir besorgen uns eine lokale SIM Card, Vitamintabletten und Bustickets nach Bahir Dar und gönnen uns gutes italienisches Essen, ein Überbleibsel aus der italienischen Besetzung vor dem zweiten Weltkrieg (später mehr zur speziellen äthiopischen Küche).

Den nächsten Tag verbringen wir im Bus, die Fahrt dauert gerade einmal zwölf Stunden. Glücklicherweise kommen grad kurz vor Sonnenuntergang an, denn die Busse dürfen nicht in der Nacht fahren. Die kleine Stadt Bahir Dar liegt am Ufer des Tana Sees, der Quelle des blauen Nils. Der Tana See beherbergt viele alte Klöster der äthiopisch orthodoxen Kirche, die auf mich wie eine sehr ursprüngliche Form des Christentums wirkt. Deren Riten und Gebräuche haben sich wohl seit hunderten von Jahren kaum verändert. Der Tana See besticht aber nicht nur durch seine vielen Klöster, sondern auch durch die Natur. Ein Paradies für Vögel und weiteres Getier, wie Nilpferde, die sich gerne beim Ausfluss des blauen Nils tummeln.

In der Nähe des Sees toben die blauen Nilfälle (Tisissat-Wasserfälle), die zweitgrössten Wasserfälle des Kontinents. Bei den Fällen befindet sich heute jedoch ein Wasserkraftwerk, weshalb meist nur ein Rinnsal zu sehen ist. Zudem befinden wir uns am Anfang der Trockenzeit. Die Einheimischen nennen die Fälle um diese Zeit normalerweise die “Blue Nile Shower”. Es kommt jedoch anders: Noch vor kurzem hat es geregnet und das Wasserkraftwerk leidet unter “mechanical problems”. Wir sehen die Fälle daher in all ihrer Wucht. Die von Helvetas gesponserte Brücke führt uns praktisch unter die Wassermassen in einen gewaltigen Nebel. Wirklich imposant.

Djibouti: A taste of Somalia

Finally, Anne was able to convince me not to go to Somaliland (an unrecognized factually independent part of Somalia) but to French Somaliland, nowadays called Djibouti. We arrived there at three o’clock in the morning. Surprisingly, the immigration office was open and we were able to get our visa in less than an hour. Since no shops or cafes were open at this time, we had to spend some hours reading at the mosquito infested airport.

The tiny country of Djibouti does not offer too many classic sights except for two outstanding places: Lac Abbé and Lac Assal. Lac Abbé is a swampy lake in the middle of the desert and gathering point for flamingos. However, the lake is surrounded by some of the strangest, most surreal but beautiful landscapes I have ever seen. The vulcanic plain contains many chimneys which look like frozen lava sprung from the depths and hot water is still pouring from the ground. Some might remember this moonlike landscape from the setting of the old “Planet of the Apes” movie. We stayed overnight in the very basic accomodation in midst of the chimneys and enjoyed an awesome sunset, (full) moonrise and sunrise which seemed to be from another world. Only the camels, mules and cattle wandering back from the lake shore reminded us that this place actually is on earth.

Driving back through the volcanic rocks and the fully plain desert of Grand Barra, we were astonished by the people living a nomadic life in one of this most unhospitable parts of the world. With temperatures close to 40°C (it is winter now) and scarce water and firewood, these Afar and Somali nomads are really challenging the most extreme environement. We crossed a huge canyon which was almost as impressive as the Grand Canyon and arrived at the shores of Lac Assal. As its name indicates, this large salt lake contains incredible 300 g of salt per liter. The lake lies at an altitude of 155 m below sea level which makes it the lowest point of the whole continent of Africa and one of the hottest as well. From far away, the shoreline of the lake looks like a perfect white south sea beach. Getting closer, its appearance is more like a sugar icing spread over all rocks along the coast. We cannot resist and try a swim. As hard as we tried, it is really impossible to dive in this water. The experience reminded me of my childhood when I learned swimming with swimmies (water wings) around my arms. But here it felt like having them on the arms, belly and legs. After this nice inland trip we were happy to treat ourselves with the great French cuisine of Djibouti City.

Die Stadt der Perser

Nach mehr als drei Wochen islamischer Architektur und Kunst wird es Zeit für die Ruinen der vorislamischen Hochkultur. Wir haben praktisch alle ehemaligen Hauptstädte des Iran besucht bis auf die Zentren des ersten persischen Reiches vor 2500 Jahren: Persepolis und Pasargadae. Unweit davon bietet sich die Stadt Shiraz als ideale Basis an. Wer jetzt an Wein denkt, liegt nicht falsch. Die bekannte Traubensorte Shiraz oder Syrah stammt tatsächlich aus dieser iranischen Stadt. Heute wird hier (legalerweise) leider kein Tropfen Wein mehr produziert und wir haben in den fruchtbaren Feldern um Shiraz nur wenige Reben gesehen. Der Wein hat in dieser Region bereits vor fast tausend Jahren die berühmtesten persischen Dichter wie Hafez inspiriert. Obwohl einige der lyrischen Werke von den geistigen Tränken selbst handeln, werden die alten Dichter auch heute noch fast wie Heilige verehrt. Am Grabmahl von Hafez etwa sehen wir viele abergläubische Rituale und Orakel (ein dressierter Kanarienvogel pickt einen beliebigen Vers von Hafez aus einem Bündel, der dann die Zukunft vorhersagen soll). Die zeitgenössischen Schriftsteller begegnen heute weniger Toleranz seitens des iranischen Regimes, aber das ist eine andere Geschichte.

Auf den Spuren der grossen persischen Eroberer Cyrus, Darius und Xerxes landen wir dann aber bald in den weiten Ebenen um Pasargadae. Der Ort beheimatet ein Steingrab, das Cyrus dem Grossen zugeordnet wird (historisch nicht ganz unumstritten). Das Grabmal soll bereits zu seiner Zeit von Alexander dem Grossen, dem Zerstörer des ersten persischen Grossreiches, geplündert worden sein. Von der ehemaligen Stadt ist nicht mehr viel zu sehen. Infotafeln über üppige und grüne Gärten vor staubigen Wüsten mit vertrocknetem Gras wirken irgendwie wenig stimulierend auf die Fantasie.

Die Grabstätten von Darius und Xerxes geben dann aber einen Eindruck von dieser frühen Hochkultur: Vor 2500 Jahren in massiven Stein gehauen finden wir in Naqsh-e Rostam die immensen Felsengräber der grossen persischen Herrscher. Der Ort war eine Kultstätte der damaligen Zarathustrier und hat auch heute noch eine magische Aura, wenn auch viele alte Riten und Gebräuche vergessen sind, wie etwa der Zweck des “Würfel des Zarathustra”.

Die Königsstadt Persepolis lässt die Kinnlade dann noch ein paar Zentimeter weiter fallen. Trotz des Alters sind einige Fragmente enorm gut erhalten. Die filigranen Reliefs der unterworfenen Völker sehen aus wie mit nadelgrossen Meisseln gehauen und gestern erst vollendet. Wir erkennen in allen Details die Delegationen von 28 Völkern. Während von Darius’ Palast noch einiges zu sehen ist und noch viele Türbögen stehen, wurde der Palast von Xerxes bis auf die Grundmauern abgebrannt (da die Dächer durch Holzbalken gestützt waren, konnte man die Steinpaläste tatsächlich abbrennen bis die Metallklammern zwischen den Steinen wegschmolzen). Alexander der Grosse hat ihm die Plünderung Athens wohl übel genommen. Daher erstaunt es, wieso sich der griechische Name für die persische Stadt bis heute gehalten hat.

Erstaunlich ist auch, dass wir diese Sehenswürdigkeit fast für uns alleine haben. Die paar wenigen Besucher verteilen sich auf dem riesigen Gelände. So geniessen wir die letzten Sonnenstrahlen über den Ruinen von Persepolis und die letzten Stunden im Land der Mullahs. Am nächsten Morgen und letzen Tag regnet es dann aus Kübeln, es ist wohl Zeit weiter zu gehen.

Hauptattraktionen

Wir sind in der berühmten Stadt Esfahan angelangt, der Topattraktion des Landes neben Persepolis. Esfahan ist zu Recht ein Touristenmagnet: Imposante Moscheen, Brücken und Paläste stehen heute noch für den letzten Höhepunkt des persischen Reiches im 16. Jahrhundert. Bilder sagen hier wohl mehr als Worte. Trotz der zweifellosen Qualität der Sehenswürdigkeiten machen sich bei uns aber erste Ermüdungserscheinungen bemerkbar, da wir in den letzten Wochen doch sehr schnell unterwegs waren und viel gesehen haben. Um dem entgegenzuwirken, verlangsamen wir unser Tempo und verbringen auch mal ein paar Stunden in einem schönen persischen Garten und lesen ein Buch. Während Anne von der islamischen Architektur begeistert ist, kommt bei mir trotz der Schönheit der Gebäude weniger Hochstimmung auf. Ich erlebe die historischen und architektonischen Schätze als ein bisschen mehr vom selben und mache mir Sorgen zu einem Kulturbanausen zu verkommen.

Gemäss unserem Reiseführer ist eine weitere “Hauptattraktion” im Iran: “Meeting the people”. Tatsächlich treffen wir und sprechen mit äusserst vielen Einheimischen. Die meisten Iraner, mit denen wir ins Gespräch kommen, wollen an irgendeinem Punkt wissen, was wir vom Land halten. Sie sind sehr besorgt über das vermeintlich negative Bild, dass viele Westler von Iran zu haben scheinen. Umgekehrt fragen wir uns, wieviele Iraner sich ihr eigenes Bild vom Ausland anhand von Hollywood Filmen und anderen Filmchen, die sie sich im Internet holen, machen. So jedenfalls erklären wir uns ein paar schräge Begegnungen. Ein Mann etwa, der sehr sich sehr aufdringlich zu uns setzt, versucht bei der Verabschiedung Anne zu küssen, was glücklicherweise abgewendet werden kann. Denkwürdiger ist der junge Mullah (ein islamischer Lehrer in traditioneller Kleidung mit Turban und Umhang), der mir nach einem Besuch in der Moschee und Diskussionen über Religion seine Schwulenpornobilder auf dem Handy zeigen will. Überall sonst auf der Welt würde ich über diese Situation lachen, hier hat sie etwas leicht Beängstigendes, da homosexuelle Handlungen im Iran mit härtesten Strafen bedroht sind (100 Peitschenhiebe bis Todesstrafe).

Die meisten Leute, die den Iran schon bereist haben und die wir vor unserem Trip getroffen haben, beschrieben uns die Iraner als die gastfreundlichsten, offensten und nettesten Menschen. Vielleicht sind wir diesbezüglich etwas verwöhnt aus dem Balkan, doch sehen viele unserer Erfahrungen nicht ganz so rosig aus. Ich frage mich, ob ich zu kühl bin mich gegenüber den herzensguten Iranern zu wenig öffne. Allerdings machen viele Reisende, die wir im Land treffen ähnliche Erfahrungen. Die schlimmsten Geschichten kommen von Chinesinnen, die berichten, dass sie wie Freiwild behandelt werden. Die üblichen Touristenabzocker sind hier in ungewöhnlich hoher Zahl vorhanden, was ich mir mit den immens gestiegenen Lebenskosten im Iran erkläre. Die Finanzsanktionen des Westens bescheren dem Land seit 2011 wieder eine jährliche Teuerung von 30 bis 50%. Der iranische Rial hat seit Anfang 2012 gegenüber dem Dollar die Hälfte seines Werts eingebüsst. Das spüren alle. Umgekehrt hat der Iran für Reisende mittlerweile ein Preisniveau vergleichbar mit den günstigsten südostasiatischen Staaten. Daher lassen wir uns von ein bisschen Abzocke nicht verbrämen und lassen ab und zu mal Fünfe gerade sein.

Ansonsten bleiben die meisten unserer Begegnungen bei freundlichem Small Talk (“Where are you from?” und “What do you think about Iran?”), ausser jemand will gerade seine Französisch- oder Englischkenntnisse ausprobieren. Oft können wir auf die nette Hilfe von Passanten zählen, wenn wir gerade wieder einmal eines der spärlich gesähten Restaurants oder Wechselstuben nicht finden. Höflichkeit ist hierzulande ein wichtiges Gut. Es besteht ein Verhaltenskodex, genannt “Ta’arof”, der vordergründige Rituale erfordert, die meist aber nicht so gemeint sind. Ein gutes Beispiel ist, dass Iraner oft anbieten für uns zu bezahlen oder uns zum Essen einzuladen. Doch ist dies in den meisten Fällen nicht wirklich so gemeint, sondern nur eine Floskel; es wird erwartet, dass wir ablehnen. Wenn jemand das Angebot nicht mindestens drei Mal insistierend wiederholt, handelt es sich um “Ta’arof”. Zum Leidwesen und manchmal Schock der Iraner realisieren das viele Reisende nicht und nehmen sofort dankend an. Man kann also durchaus im eigenen Land einen Kulturschock erleben.

Ein intensiver Tag im Tal der Assassinen

Nach Tabriz im Nordwesten von Iran wollen wir die sagenumwobenen “Castles of the Assassins” im Alamut Tal besuchen. Die Fahrt von Tabriz nach Qazvin, der nächsten Stadt zum Tal, soll ungefähr acht Stunden dauern, also entscheiden wir uns für eine Nachtfahrt. Wir besteigen den Bus um 21.30 Uhr und rechnen mit einer frühen Morgenankunft. Leider ist an Schlaf kaum zu denken: Wir erleben zum ersten Mal einen umgekehrten “AC-Effekt”. Normalerweise packen wir für Busfahrten immer Pullis ein, weil aufgrund exzessiver Nutzung der Klimaanlage oft polare 15°C herrschen. Im iranischen Wüstenklima wäre das ja eigentlich nicht nötig, da die Nächte angenehm kühl bis kalt sind, denken wir. Nur leider führen wir den Gedankengang nicht zu Ende. Statt der Klimaanlage wird in diesem Bus nun die Heizung exzessiv benutzt. Die übergrosse Temperaturanzeige vorn im Cockpit zeigt tropische 32°C an. Heisser als die Tropennächte in Yangon während der heissen Jahreszeit. Eigentlich kann ich mich zwar nicht beklagen, denn neben mir muss Ane Mantel und Kopftuch tragen.

Um 3:30 Uhr werden wir “geweckt” und mitten auf der Autobahn rausgeschmissen. Leicht verwirrt vom Halbschlaf, der frühen Ankunft und der frostigen Temperaturen draussen finden wir ein Taxi in die Stadt. Die immerhin 350’000 Einwohner zählende Stadt ist menschenleer. Wir klingeln bei einem Hotel. Wir klingeln noch einmal. Und nochmal. Keine Antwort. Leicht übermüdet aber frohen Mutes gehen wir weiter zu einem nächsten Hotel. Wir finden keine Klingel. Also gehen wir zu einem weiteren Hotel (wir haben in der Stadt übrigens nicht mehr als drei Hotels gefunden). Nach zwei Mal klingeln wird die Türe geöffnet. Ein leicht mürrisch wirkender junger Mann winkt uns hinein. Wir laden die Rucksäcke ab und beginnen unseren Trip zu den Schlössern der Assassinen noch vor dem Morgengrauen.

Um 4:00 Uhr morgens stehen wir wieder auf der Strasse. Die Stadt ist immer noch menschenleer, aber ein paar erste Autos pflügen durch die erfrischende Nachtluft. Nach ein paar Minuten sehen wir ein Taxi und rufen es heran. Mit Händen und Füssen und ein paar Brocken Farsi versuchen wir dem Fahrer zu erklären, dass er grad den Jackpot gewonnen hat und wir ihn und sein Gefährt mehr oder weniger einen ganzen Tag lang mieten wollen. Ich erläutere ihm alle Destinationen die wir anfahren wollen (zwei Schlossruinen und ein Dorf im Alamut Tal). Er schüttelt nur ungläubig oder unverständig zu Kopf und fährt dann fort seines Weges. Wir lassen uns aber nicht entmutigen. Bald sehen wir in der Ferne ein weiteres Taxi, das wir heranwinken. Selbe Geschichte, diesmal funktioniert es und der Taxifahrer willigt ein. Wir haben für diesen speziellen Ausflug anhand unserer bisherigen Erfahrungen mit dem hiesigen Preislevel und Informationen aus dem Reiseführer um die 60 Franken budgetiert und machen uns auf eine lange und harte Preisverhandlung gefasst. Das erste Angebot des Taxifahrers ist 20 Franken (wir haben uns für solche Situationen einen Taschenrechner besorgt, damit Zahlen besser kommuniziert werden können). Anne und ich schauen uns ungläubig an. Nun muss man wissen, dass in Iran die Preise oft nicht in der Landeswährung Rial, sondern in sogenannten “Toman” angegeben werden. Ein Toman entspricht zehn Rial und die Verwirrung ist vorprogrammiert. Wir fragen nach, ob er umgerechnet wirklich 20 Franken meint und nicht etwa 200. Er bestätigt. Wir fragen noch einmal nach ob er die Route wirklich verstanden hat. Er bestätigt. Wir versuchen zu erklären, dass der Ausflug mindestens zehn Stunden dauern wird und weit in die Berge führen wird. Er bestätigt. Da wir beim besten Willen keinen Haken an der Sache finden (das Taxi hat sogar Sicherheitsgurte), steigen wir ein und fahren los. Es ist halb fünf Uhr morgens und immer noch stockfinster.

Unsere erste Destination ist das Alamut Schloss bei Gazor Khan, das Hauptschloss des berüchtigten Assassinen Clans, der vor circa 800 Jahren mit politischen Morden und geschickter Diplomatie halb Mittelasien kontrolliert haben soll. Die Fahrt dauert fast drei Stunden hinein in die unglaubliche Wüsten- und Canyonlandschaft des Alamut Tals. Die aufgehende Sonne bringt stellenweise Nebel. Unser Fahrer kurbelt das Fenster runter und streckt seine Hand ins rare Nass (das machen offenbar alle Iraner bei Regen – wir werden es bestätigen, falls es einmal regnen sollte). Um halb acht Uhr morgens machen wir uns an die Besteigung des Berges auf welchem das Schloss beziehungsweise seine Überreste stehen. Verständlicherweise sind wir die einzigen Besucher. Die Schlossruine ist heutzutage eine Mischung aus archäologischer Ausgrabungsstädte und Aufbauarbeit. Die Arbeiter sind meist ältere Männer, die alle in Hemd und Anzug schuften. Es ist die Standardkleidung im ländlichen Iran, unerheblich ob man Verkäufer, Anwalt oder Bauarbeiter ist. Auf dem Alamut Schloss geniessen wir ein romantisches Frühstück mit feinem Süssgebäck, dass wir am Vortag als Bettmümpfeli gekauft, aber noch nicht gegessen haben. Die Sicht über das Nebelmeer ist traumhaft.

Wieder unten wirkt unser Fahrer etwas mürrisch. Wir deuten das so, dass er sich krass verkalkuliert hat und nachverhandeln möchte. Damit er sein Gesicht nicht verliert, verlangen wir einen kleinen Umweg zum Andej Canyon und lassen uns diesen noch einmal 10 Franken kosten. Er scheint zufrieden und wir finden unseren Ausflug immer noch ein Schnäppchen, eine Win-Win-Situation. Der Weg zum neu verhandelten Canyon geschaltet sich schwieriger als angenommen, aber nach zehnmaligem Nachfragen bei Dorfbewohnern kommen wir nahe ran und laufen dann das letzte Stück zu Fuss. Die Landschaft erinnert ein bisschen an die Canyons im Westen der USA.

Danach brechen wir auf zu einem zweiten Schloss der Assassinen: Das Lamiasar Schloss bei Razmiyan ist das grösste des Clans, der auf Berggipfeln im Tal um die zwanzig Schlösser erbaut hat. Auch hier ist nicht mehr viel übrig, aber die wenigen Ruinen lassen auf eine Festung immensen Ausmasses schliessen. Dschingis Khan und seine Nachfolger haben leider alle Festungen geschleift. Die Hauptfestung bei Gazor Khan konnte der Belagerung durch die Mongolen jedoch dank kluger Wasserversorgung und riesigen Vorräten 17 Jahre lang widerstehen. Vom zweiten Schloss Lamiasar geniessen wir vor allem die unglaubliche Aussicht ins Tal. Es ist Mittag, der Nebel ist verschwunden und über uns kreisen Adler in weiten Bögen. Der Name “Alamut” steht für “Adlers Führung”. Auch wir fühlen uns fast wie Adler allein über den Zinnen dieser Berge.

Elf Stunden nach der Abfahrt von Qazvin fahren wir wieder in der Stadt ein. Es war eine kurze Nacht und ein langer Tag.